15.12.2021 | Am 30. November 2021 verstarb der engagierte linke Intellektuelle und ehemalige Professor der Politikwissenschaften Bodo Zeuner im Alter von 79 Jahren. Zeitlebens hat er sich für Selbstbestimmung, Selbstermächtigung und demokratische Mitbestimmung in den Betrieben eingesetzt. Der Arbeitskreis Internationalismus der IG Metall Berlin (AKI) hat regelmäßig mit Bodo Zeuner zusammengearbeitet und erinnert an diesen außergewöhnlichen Mann.
In den 1980er Jahren stand die IG Metall vor der heißen Phase im Kampf um die 35-Stunden-Woche. Bodo Zeuner, Professor der politischen Wissenschaften, hatte einen Arbeitskreis Arbeitszeitverkürzung gegründet. In ihm kamen junge Student*innen und aktive Gewerkschafter*innen zusammen, um diese Auseinandersetzung politisch zu begleiten. Wir lernten dort viel voneinander und unterstützten die Kampagne zur Arbeitszeitverkürzung öffentlich.
In diese Zeit fiel auch die Kündigung von drei Gewerkschaftern bei BMW. Alle drei hatten sich besonders für die 35-Stunden-Woche eingesetzt. Auf Initiative von Bodo Zeuner gründete sich ein Solidaritätskomitee. Dessen intensive Arbeit führte nach über drei Jahren dazu, dass BMW die drei Gewerkschafter wieder einstellen musste. Es war sein Kampf gegen Arbeitsunrecht, der zu diesem Erfolg führte. Bodo hatte ausgezeichnete journalistische Fähigkeiten und gute Kontakte.
Internationale Beziehungen
Die Beziehung und Freundschaft zu den Kolleginnen und Kollegen bei BMW führte unter anderem dazu, dass er sich an einem Austauschprojekt zwischen britischen und deutschen Gewerkschafter*innen beteiligte. BMW hatte zu Beginn der neunziger Jahre das große britische Autounternehmen Rover aufgekauft und bei Boda war das Interesse groß, einem mächtigen Konzern gemeinsam gegenüberzutreten. Dass Bodo die internationale Gewerkschaftsarbeit im Blick hatte, war nicht neu. Schon früh hatte er mit seinen Studentinnen und Studenten Exkursionen nach Italien organisiert, um die dortige Arbeiterbewegung zu studieren.
Als die deutschen Investitionen der Autoindustrie in China immer mehr zunahmen, war ihm das Grund genug, sich die Arbeitsbeziehungen in China sowie die Rechte und Möglichkeiten der Arbeiterbewegung unter die Lupe zu nehmen. Zwischen 2006 und 2013 reiste Bodo mehrmals nach China. Es gelang ihm in dieser Zeit, zu verschiedenen Beratungszentren für Arbeiter*innen aufzubauen, genauso zu Professoren und Student*innen. In dieser Zeit organisierte er darüber hinaus mehrere Gegenbesuche chinesischer Aktivist*innen nach Deutschland. Das Forum Arbeitswelten in Deutschland und China wurde zu einem Schwerpunkt von Bodos Arbeit.
Mit He GaoChao, Professor an der Universität Guang Zhou, hatte er ein gemeinsames Projekt zur Geschichte und Gegenwart der Arbeiterbewegung in beiden Ländern verabredet. Dazu kam es nicht mehr. Die Repression der neuen chinesischen Regierung unterdrückte die zarten Pflänzchen einer aufkeimenden neuen Bewegung von Arbeiter*innen. Auch der Unterdrückung der Demokratiebewegung in China, vor allem in Hongkong, widmete Bodo seine Aufmerksamkeit. Zuletzt veröffentlichte er einen Artikel zum „Ende der freien Gewerkschaften in Hongkong“ im gewerkschaftlichen Onlinemagazin Gegenblende.
Lebenslanges Engagement für Mitbestimmung
Der Arbeitskreis Internationalismus konnte sich immer auf die Expertise und die Unterstützung von Bodo Zeuner stützen. Und wir waren nicht die einzigen. Viele seiner früheren Student*innen und Doktorand*innen engagieren sich heute in der (auch hauptamtlichen) Gewerkschaftsarbeit. Durch die Lehre bei Bodo waren sie für diese Aufgaben gut vorbereitet. Zu ihnen gehört auch Regina Katerndahl, Zweite Bevollmächtigte der IG Metall Berlin. Sie erinnert sich sehr gerne an die Begegnungen mit ihm.
"Als junge Studentin besuchte ich meine ersten Vorlesungen bei Bodo Zeuner. Er hat uns Studierende angehalten, eigene Fragen und Überlegungen anzustellen und sich nicht mit vorgefertigten Antworten zufrieden zu stellen. Auf diese Weise war er mein kritischer und solidarischer Diplomvater, den ich als Menschen sehr geschätzt habe." Denn er hat Politikwissenschaften nicht nur gelehrt, sondern Selbstermächtigung und Befähigung zu solidarischem Handeln auch gelebt.