Tagung

Sich wehren und eigene Ideen präsentieren – Gespräch mit Regina Katerndahl zur diesjährigen Betriebsrätefachtagung

23.08.2023 | Am 25. September findet die jährliche Fachtagung für Betriebsräte und Vertrauensleute im IG Metall-Haus statt. Die Tagung trägt den Titel "Unsere Tarifverträge zukunftsfit gestalten". Mit Regina Katerndahl, Zweite Bevollmächtigte der IG Metall Berlin, haben wir über inhaltliche Schwerpunkte und tarifpolitische Herausforderungen gesprochen.

Betriebsrätefachtagung 2022 (Foto: C. v. Polentz)

Von der Zukunft ist bei der IG Metall Berlin oft die Rede. „Tarifverträge zukunftsfit gestalten“ – was dürfen wir darunter verstehen?

2024 sind wir wieder in der Tarifbewegung der Metall- und Elektroindustrie. Mit unserer Fachtagung beginnen wir frühzeitig, grundsätzliche Themen zu diskutieren und gute Beispiele für tarifliche Regelungen, die sich einzelne Belegschaften erstritten haben, aufzuzeigen.

Nach der Tarifrunde ist vor der Tarifrunde?

Genau, die Auseinandersetzung um konkrete Arbeitsbedingungen endet nie! Zudem stellen Digitalisierung, Klimaveränderung, Flexibilisierung und demografische Entwicklung für uns alle eine Herausforderung dar. Zukunftsfit bedeutet in diesem Kontext: Wir werden auch weiterhin mit unseren Mitgliedern kollektivrechtliche Standards, zum Beispiel gute Entgelte und mehr betriebliche Mitbestimmung, verhandeln.

In der Ankündigung werden Produktionsverlagerungen, Standortschließungen, Minimierung der Kosten bei gleichzeitiger Arbeitszeitverdichtung angesprochen. Ist nicht das die Zukunft, auf die sich die Beschäftigten vorbereiten müssen?

Nein, hier müssen wir unterscheiden: Minimierung der Kosten und Arbeitsverdichtung kennen die Beschäftigten gleichermaßen. Standortschließungen und Produktionsverlagerungen sind einschneidende Entscheidungen vom Management, weil damit der Verlust von Arbeitsplätzen und Lebensentwürfen der Kolleginnen und Kollegen einhergeht. Diese Entscheidungen sind beinflussbar! Hier lohnt es sich auf jeden Fall, sich zu wehren und auch eigene Ideen für den Standorterhalt zu präsentieren und dafür in die Auseinandersetzung mit den Arbeitgebern zu gehen.

Kommen wir zu einem drängenden Problem der Gegenwart. Es fehlen sowohl Fachkräfte als auch Ausbildungsplätze. Wie ist diese paradoxe Situation zu erklären?

Die Unternehmen haben lange Zeit darauf verzichtet, auszubilden. Im bundesweiten Vergleich rangiert Berlin bei der Ausbildung auf den unteren Plätzen. Die Schuld wird gerne auf die jungen Leute geschoben; sie seien nicht ausbildungsfähig. Aber es ist eher so: Die Personalplanung der Unternehmen bildet nicht den realen Bedarf ab, sondern zeichnet ein Wunschbild der Zukunft, in dem mit wenig Menschen Produktion, Service, Forschung und Entwicklung et cetera  fortgesetzt werden können. Wie Ausbildungsplätze attraktiver gestaltet werden können, wird in einem Forum, dass sich vor allem an jüngere Leute richtet, erörtert.

Gibt es irgendwo Beispiele, wie man Tarifverträge fit für die Zukunft macht?

Nehmen wir als aktuelles Beispiel Procter & Gamble: Hier ist es gelungen, im Tarifvertrag Investitionen festzuschreiben, den Standort und mindestens 500 Arbeitsplätze abzusichern. Der Zukunftstarifvertrag bei Procter & Gamble ist eins von zwei Beispielen, die eigens in Foren dargestellt werden. Sie zeigen: Starke Belegschaften können ihre Zukunft mitgestalten.

Die Frage, ob in tariflichen Auseinandersetzungen eine Entgelterhöhung oder ein Festgeld gefordert werden soll, wird auch innerhalb der IG Metall kontrovers diskutiert. Das Thema wird bei der Tagung auch eine Rolle spielen. Kannst du uns kurz in die Debatte einführen?

Befürworter für Festgeldbeträge argumentieren, dass damit eine größere Spreizung in den Entgelten abgebaut würde, dagegenspricht, dass damit die gesamte Struktur der Entgeltgruppen in Frage gestellt würde. Um diese Diskussion tiefer zu führen, wird Stephan Vetter als Tarifkoordinator des IG Metall Bezirks Berlin-Brandenburg-Sachsen bei der Tagung dazu referieren.

Werfen wir zum Schluss nochmal einen Blick in die Zukunft. Der Klimawandel die Endlichkeit fossiler Energie und dazu ökonomische, politische und gesellschaftliche Krisen… Im Grunde ist doch allen klar, dass es nicht so weitergehen kann.

Ja, aber nur, weil wir wissen, dass es so nicht weitergehen kann, heißt das noch nicht, dass wir wissen, wie wir zukünftig arbeiten und leben wollen und wie wir dies alles demokratisch und friedlich erreichen können. Ich halte es für zwingend erforderlich, dass wir auf unserer Fachtagung offen sind, mit anderen gesellschaftlichen Gruppen zusammen zu diskutieren und zu prüfen, wo wir uns inhaltlich ergänzen können. Und wer weiß, ob aus einem Dialog nicht auch eine praktische Idee für Betriebsräte, Vertrauensleute oder Jugendauszubildendenvertretungen erwachsen kann? Deswegen bin ich froh, dass wir Neno Rieger als Vertreter des Netzwerkes Gemeinwohl-Ökonomie Berlin-Brandenburg für unsere Fachtagung gewinnen konnten.

An wen richtet sich die Veranstaltung, ausschließlich an Betriebsräte?

Die Fachtagung richtet sich an Betriebsrät*innen, Vertrauensleute, Jugendauszubildenenvertretungen und Schwerbehindertenvertretungen – also an Kolleginnen und Kollegen, die ehrenamtlich in ihren jeweiligem Arbeitsumfeld Verantwortung für andere übernehmen.

 

Neugierig geworden? Dem Flyer sind weitere Details und Anmeldebögen zu entnehmen. Die Anmeldefrist läuft bis Montag, den 04. September 2023.

Von: cm

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