Kahlschlag im Berliner Gasturbinenwerk und im Moabiter Service

Siemens Energy: Vorstand lässt über 700 Berliner Arbeitsplätze über die Klinge springen

03.02.2021 | Der Vorstand der Siemens Energy AG spielt unfair. Gasturbinen will der Konzern auch weiterhin produzieren, aber viele Komponenten nicht mehr in Berlin – dafür unter anderem im autoritär regierten Ungarn. Klimawandel und Transformation liefern jetzt den Vorwand. Es geht auch um höhere Profite. Dafür lässt der Vorstand über 700 Arbeitsplätze im Berliner Gasturbinenwerk über die Klinge springen.

Der Betriebsratsvorsitzende geht 2015 mit dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller durch die Produktionshallen. (c) Christian von Polentz / transitfoto.de

„Mit der Verlagerung der Brenner- und Gehäusefertigung betreibt der Vorstand der Siemens Energy ein unfaires Spiel auf Kosten der Berliner Beschäftigten“, sagt Regina Katerndahl, Zweite Bevollmächtigte der IG Metall Berlin und Betreuerin der Berliner Siemens-Standorte. Über 700 Arbeitsplätze sollen im Gasturbinenwerk an der Huttenstraße verschwinden und 400 Beschäftigte sollen allein in der Fertigung ihre Arbeit verlieren.

Diese Pläne sind maßlos und unverhältnismäßig

Was das für den Standort bedeutet, skizziert der Betriebsratsvorsitzende Günter Augustat so: „In der Huttenstraße fällt einer von fünf Arbeitsplätzen weg, in der Produktion sogar jeder zweite. Diese Pläne sind maßlos, unverhältnismäßig und sie stellen die Existenz des Standorts in Frage.“ Denn die gesamte Verbrennungssystemfertigung soll ausgelagert werden, nur noch das Testing soll in Ludwigsfelde bleiben.

„Der Vorstand raubt uns die Möglichkeit, Zukunftsthemen wie emissionsarme und emissionsfreie Verbrennung mit Wasserstoff und regenerativer Gase in Berlin weiter zu entwickeln und die Wirkungsgrade von unseren Gasturbinen weiter zu erhöhen. Damit wollen wir vom Berliner Standort gute Beiträge zur Gaseinsparung und CO2-Reduktion für die Kunden in aller Welt leisten“, sagt Günter Augustat.

Wesentlicher Bestandteil der Huttenstraße ist auch der Gasturbinenservice für Kunden weltweit. Wo aber keine neuen Produkte entwickelt und produziert werden, ist auch der Service in Gefahr. Die Brennerkomponenten sollen künftig Beschäftigte von Siemens Energy in Ungarn fertigen, Heißgasgehäuse in der Lieferkette.

Veränderungen am Energiemarkt vorgeschoben

Ja – der Energiemarkt verändert sich dramatisch. Im Fall der Huttenstraße ist dieses Argument aber nur vorgeschoben. „Der Abbau von Arbeitsplätzen in Berlin hat mit dem sich ändernden Energiemarkt zu tun, aber auch sehr viel mit den Profitabsichten, die der Konzern unter dem Deckmantel der Transformation betreibt“, kritisiert Regina Katerndahl dieses Verhalten.

Die Berliner Beschäftigten im Gasturbinenwerk und im Schaltwerk haben die Ausgliederung der Siemens Energy durch ihren Einsatz erst möglich gemacht und Produktion und Betrieb auch in der Pandemie sichergestellt.

7.800 Arbeitsplätze verschwinden weltweit, 3.000 in Deutschland

Gestern hatte die Siemens Energy AG ihre Pläne veröffentlicht und verkündet, weltweit 7.800 Arbeitsplätze abbauen zu wollen, 3.000 davon in Deutschland. Dabei schreibt der Konzern schon schwarze Zahlen. Das aber reicht ihm nicht.

Mit diesem Kahlschlag will die Siemens Energy AG ihre Kosten reduzieren und „bis 2023 seine EBITA-Marge bereinigt von 6,5 Prozent auf 8,5 Prozent heben“. Eiseskälte verpackt in die Sprache der Betriebswirte, Aktionärsfreuden auf Kosten der Beschäftigten.

Dass der Konzern sparen will, hatte sich bereits bei der Herauslösung der Siemens Energy AG aus der Siemens AG angekündigt, da sich der Energiemarkt aktuell drastisch verändert. Deshalb haben IG Metall und Gesamtbetriebsrat unmittelbar nach dem „Carve Out“ Gespräche mit der Unternehmensführung zu einer Standort- und Beschäftigungssicherung aufgenommen.

Diese mündeten in einer am 29. Januar 2021 getroffenen Zukunftsvereinbarung. Danach sollen alle deutschen Standorte erhalten bleiben. Wo Stellen abgebaut werden, soll dies über Aufhebungsverträge, interne Qualifizierungen, Transfergesellschaften und Ringtausch oder Versetzungen geschehen. Der Abbau von so vielen Arbeitsplätzen ist bitter. Doch die Vereinbarung ist auch ein Schritt nach vorn, denn im Frühjahr 2020 hatte der Vorstandsvorsitzende Christian Bruch noch deutsche Standorte in Frage gestellt.

Qualifizierung statt Rotstift in Berlin

„Für die Berliner Beschäftigten fordern wir, dass Siemens Energy auf der Grundlage des umfangreichen Wissens der Kolleginnen und Kollegen konkret neue Zukunftstechnologien entwickelt und sie entsprechend qualifiziert“, sagt Regina Katerndahl. Bei dem angekündigten Stellenabbau wird es nun in Berlin und an allen anderen Standorten darum gehen, vom Vorstand angekündigte Maßnahmen zu überprüfen. „Reines Kostendrücken ohne Perspektive für die Beschäftigten lehnen wir ab und werden uns dagegen wehren“, sagt Regina Katerndahl.

Kundgebung, 4.2.2021, 9.30 Uhr, Huttenstraße

Ein erstes Signal an den Vorstand von Siemens Energy werden Beschäftigte, Betriebsrat und IG Metall am Donnerstag, den 4. Februar um 9.30 Uhr auf einer Corona-bedingt kleinen Kundgebung vor der Huttenstraße senden, die Zustimmung der Ordnungsbehörde vorausgesetzt.

Pressespiegel

rbb24 20210203: Siemens Energy streicht rund 750 Stellen in Berlin
Berliner Morgenpost 20210203: Bei Siemens in Berlin stehen mindestens 700 Jobs vor dem Aus

 

Von: Michael Netzhammer

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