24.05.2022 | Die Betriebsratswahlen beim Entwicklungsdienstleister IAV in Berlin waren sehr erfolgreich. 15 von 17 Mandaten gingen an das Team IG Metall. Damit gehen die Metallerinnen und Metaller mit dem Betriebsratsteam gestärkt in die nächsten vier Jahre. Und es gibt viel zu tun bei IAV. Denn die personelle als auch die strategische Transformation fordern die gesamte Belegschaft heraus. Im Interview: Betriebsrats- und Gesamtbetriebsratsvorsitzende Tanja Schneider.
Herzlichen Glückwunsch, Tanja, zu Eurem guten Ergebnis. Wie war der Wahlkampf in Pandemiezeiten?
Wir standen vor zwei großen Herausforderungen bei der BR-Wahl, die bei uns am 7. März stattfand. Zum einen die Pandemie und die damit verbundene überwiegend stattfindende Mobilarbeit, zum anderen aber auch, der neue Berliner Feiertag am 8. März. Unsere Wahl fand praktisch an einem Brückentag statt. Da mussten wir uns etwas einfallen lassen. Wir konnten eine standortübergreifende Betriebsversammlung nutzen, die Ende Februar in alle Standorte live übertragen wurde, da haben wir die Werbetrommel gerührt. Vermehrt haben wir auch die sozialen Medien und das Intranet genutzt. Es gab Videos, Podcasts und Intranetmeldungen, in denen wir für die Briefwahl geworben haben, wenn eine Vorort-Wahl nicht möglich oder schwierig erschien. Unsere Wahlbeteiligung war letztendlich so hoch, wie bei vorangegangen Wahlen.
IAV ist stark von der Transformation betroffen. Die Entwicklung von Verbrennungsmotoren wird künftig immer weniger nachgefragt. Wie begegnet Ihr der Lage?
Als Spezialist für die Mobilität von morgen steht IAV im Fokus der Transformation der Automobilindustrie, hin zur Elektromobilität und Softwareorientierung. Am Standort in Berlin prüfen wir u. a. Verbrennungsmotoren. Wenn diese nicht mehr weiterentwickelt und produziert werden, werden bei uns neue Geschäftsfelder erschlossen, beispielsweise smartes Fahren. Auch im Bereich neuer Produkte, haben wir uns auf den Weg gemacht. Für all diese Zukunftsthemen müssen die Beschäftigten entsprechend qualifiziert werden.
Wie geht Ihr das Thema Weiterbildung an, denn es soll ja nach Eurem Willen eine Chance für alle geben, auch in wegfallenden Geschäftsfeldern?
In unserem letzten Tarifabschluss haben wir ein Qualifizierungsbudget festgeschrieben, das rund 555.000 Stunden für Qualifizierung beinhaltet. Die Verwendung dafür wird in einem paritätisch besetzten Steuerungsteam beschlossen und jährlich neu „befüllt“. Für jeden einzelnen Beschäftigen kann es eine Perspektive für die Zukunft geben, wenn er oder sie sich darauf einlassen kann, noch einmal etwas anderes zu machen.
Welche Themen stehen für die kommende Zeit auf Eurer Agenda als Betriebsrat?
Die Themen werden durch die aktuellen Themen der Zeit vorgegeben. Ganz klar, dass was alle Firmen in der Automobilbranche betrifft, ist die Transformation – sowohl personell als auch strategisch, der Wandel vom Premium-Entwicklungsdienstleister zum Tech Solution Provider und damit verbunden der Kulturwandel, Nachwuchsbindung und New Work-Themen, was beispielsweise auch moderne Arbeitsformen betrifft, die es zu begleiten gilt und die in die kommenden Tarifverhandlungen einfließen werden. Allen voran müssen sich die Gremien aber erst einmal in ihrer Zusammensetzung neu finden.
Ziehen alle an einem Strang? Du bist ja auch Gesamtbetriebsratsvorsitzende in einem bundesweiten Unternehmen mit Matrixstrukturen.
Vor dem Hintergrund das IAV eine Matrixorganisation ist, gibt es bei uns die typischen Standortthemen nicht mehr so großartig, d. h. wir MÜSSEN alle an einem Strang ziehen, um das Beste für die Belegschaft zu erreichen und da geht es nicht, dass die Standortgremien unterschiedlich agieren. Natürlich ist es wie überall, die Betriebsratsmitglieder spiegeln ganz klar die Belegschaft wider. Da gibt es oft lange Diskussionen, weil es unterschiedliche Meinungen und Auffassungen zu Themen gibt. Auch der Gesamtbetriebsrat hat sich neu zusammengesetzt und die Hälfte der Mitglieder ist neu dabei. Hier gilt es, jetzt eine gemeinsame Betriebsrats-Strategie für das ganze Unternehmen aufzusetzen.
Welche Rolle spielt die IG Metall in fünf Jahren, aus deiner heutigen Sicht, bei einem Tech Solution Provider wie der IAV?
Das würde ich gerne in fünf Jahren so beantworten: Die IG Metall hat mit dem letzten Tarifabschluss einen Zukunftstarifvertrag geschlossen, der zum Ziel hat, IAV im grundlegenden Wandel in Richtung neuer Technologien, Geschäftsfelder und Märkte zu unterstützen und dabei Qualifizierung und gute Arbeitsbedingungen sicher zu stellen. In fünf Jahren haben wir gemeinsam mit den Beschäftigten und der IG Metall (Stichwort: Mitmachunternehmen) viel bewegt und umgesetzt. Die IG Metall wird dabei noch mehr Bedeutung bei der IAV bekommen, unser Organisationsgrad ist deutlich angestiegen, um auch in zehn Jahren sichere Arbeitsbedingungen und gute Tarifabschlüsse zu sichern. Außerdem ist die Anwendung unseres einzigartigen Tarifvertrags für Studierende zur Selbstverständlichkeit geworden.
Hintergrund:
IAV ist mit mehr als 8.000 Beschäftigten einer der weltweit führenden Engineering-Partner der Automobilindustrie. Das Unternehmen entwickelt seit über 35 Jahren innovative Konzepte und Technologien für zukünftige Fahrzeuge und setzte 2020 rund 896 Mio. Euro um. Zu den Kunden zählen weltweit alle namhaften Automobilhersteller und Zulieferer. Neben Fahrzeug- und Antriebsentwicklung ist IAV bereits frühzeitig in die Elektromobilität und das autonome Fahren eingestiegen und ist heute einer der führenden Entwicklungsdienstleister auf diesen Gebieten. Neben den Entwicklungszentren in Berlin, Gifhorn und Chemnitz/Stollberg verfügt IAV über weitere Standorte u.a. in München, Sindelfingen und Ingolstadt sowie in Europa, Asien und auch in Nord- und Südamerika. In Berlin arbeiten 1.780 Beschäftigte, davon rund 180 Studierende.