02.06.2019 | Laut Bundesurlaubsgesetz verfiel Urlaub, der bis zum Jahresende nicht gewährt und genommen wurde - mit einer Ausnahme. Diese Rechtsprechung hat das Bundesarbeitsgericht nun geändert. Was das genau bedeutet erklärt Mara Neele Künkel von der Kanzlei dka Rechtsanwälte Fachanwälte.
Das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) sah vor, dass Urlaub grundsätzlich im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen wird. Ein Anspruch auf Übertragung bis zum 31. März des Folgejahres kann im Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag vereinbart werden. Kraft Gesetzes erfolgt er nur aus „dringenden betrieblichen“ oder aus Gründen, die „in der Person des Arbeitnehmers“ liegen, zum Beispiel bei Krankheit.
Bisher verfiel der nicht genommene Anspruch in allen anderen Fällen zum Jahresende, wenn Arbeitnehmer ihn nicht rechtzeitig beantragt hatten. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat hierzu bisher die Auffassung vertreten dass der Arbeitgeber nicht verpflichtet werden könne, Arbeitnehmern Urlaub „aufzuzwingen“. Lediglich die Verweigerung von rechtzeitig beantragtem Urlaub führte zu einem Schadensersatzanspruch in Form von Ersatzurlaub. Dieser wandelte sich sodann zum Ende des Arbeitsverhältnisses in einen Abgeltungs- das heißt Geldanspruch. Die Initiativlast lag damit immer bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Sie mussten rechtzeitig einen Urlaubsantrag stellen, um Ihre Ansprüche nicht zu verlieren.
Nun hat sich das BAG in seiner Entscheidung am 19. Februar 2019 der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs angeschlossen, dass der Anspruch nicht mehr automatisch erlischt. Zwar sei der Arbeitgeber nicht gezwungen, von sich aus Urlaub zu gewähren. Aber die Initiativlast zur Gewährung des Urlaubs liege beim Arbeitgeber. Dieser sei nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs gehalten „konkret und in völliger Transparenz dafür zu sorgen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, indem er ihn – erforderlichenfalls förmlich – auffordert, dies zu tun“.
Der Arbeitgeber muss also Beschäftigte auffordern, den Urlaub zu nehmen. Er muss zudem klar verständlich und rechtzeitig mitteilen, dass der Urlaub am Ende des Jahres oder eines Übertragungszeitraumes verfällt, wenn sie ihn nicht nehmen. Andernfalls bleibt der Urlaubsanspruch erhalten. Am Ende eines Arbeitsverhältnisses oder beim Tod des Arbeitsnehmers ist er entsprechend abzugelten.
Ob der Urlaubsanspruch, wie im Fall der andauernden Erkrankung, 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres verfällt, hat das Bundesarbeitsgericht noch nicht entschieden.
Wichtig: Beim Urlaubsabgeltungsanspruch handelt es sich um einen Geldanspruch, der gegebenenfalls arbeitsvertraglichen oder tarifvertraglichen Geltendmachungsfristen (oft 3 Monate, im Handwerk auch manchmal kürzer) unterliegt. In dieser Frist müssen Arbeitnehmer oder nach ihrem Tod deren Erben gegenüber dem (ehemaligen) Arbeitgeber den Anspruch geltend machen. Dabei sind meist Formvorschriften zu beachten. Muss die Geltendmachung „schriftlich“ erfolgen, so genügt hierfür keine E-Mail, sondern nur ein Brief mit Unterschrift (ggf. vorab per Fax gesendet).
Rechtsanwältin Mara Neele Künkel vertritt Arbeitnehmer und Betriebsräte in allen arbeitsrechtlichen Angelegenheiten, Kanzlei dka Rechtsanwälte | Fachanwälte