21.04.2020 | Viele Kolleginnen und Kollegen aus den Büros arbeiten in diesen Wochen im Homeoffice. Was aber ist mit den Beschäftigten in der Produktion? Sie müssen ganz besonders vor dem Corona-Virus geschützt werden. Bei Daimler in Berlin hat der Betriebsrat dafür gesorgt, dass auch dies gelingt.
Als die ersten Corona-Meldungen kamen, irgendwann Anfang Februar war das, da wusste Andreas Krause sofort, dass es nicht leicht werden würde. „Ich hatte ein ungutes Gefühl“, sagt der 60-Jährige. „Ich wusste, wir müssen uns gut vorbereiten. Ich wusste, wir müssen die Zeit nutzen, um Schutzmaßnahmen für unsere Kolleginnen und Kollegen aufzubauen.“
Seit 30 Jahren ist Krause Betriebsrat am Daimler-Standort in Berlin. Rund 2500 Menschen arbeiten hier, 1300 von ihnen in der Komponentenfertigung, die Kolleginnen und Kollegen stellen hauptsächlich Nockenwellen und Aggregate her. „Uns allen war klar, dass die Beschäftigten in der Produktion besonders geschützt werden mussten“, sagt Andreas Krause. „Es war klar, dass das anspruchsvoll werden würde.“
Krause und seinem Team war wichtig, dass Schutzmaßnahmen nicht hastig überstürzt, nicht unstrukturiert oder aktionistisch aufgestellt und umgesetzt werden, sondern dass sie systematisch durchdacht klug und gut ineinandergreifen und einen umfassenden Schutz für die Kolleginnen und Kollegen bieten. „Wichtig war uns auch, dass nicht jeder Daimler-Standort sich alleine auf den Weg macht und einzelne Dinge umsetzt, sondern wir eine gemeinsame Strategie für die Zeit entwickeln, in der wir mit verminderter Produktion arbeiten.“
Das haben sie getan. „Wir haben im Gesamtbetriebsrat darüber diskutiert, welche gemeinsamen Standards wir definieren können, um unsere Kolleginnen und Kollegen an den einzelnen Standorten zu schützen“, sagt Andreas Krause. Und Udo Roth, Sprecher der Kommission für Arbeits-, Umweltschutz und Gesundheitspolitik im Gesamtbetriebsrat, sagt: „Wir wollten Schutzmaßnahmen entwickeln, die überall Anwendung finden können.“
Die Maßnahmen, die Krause und sein Team dann am Standort Berlin umgesetzt haben, folgen der Logik, dass technische und organisatorische Lösungen personenbezogenen Schutzmaßnahmen vorgezogen werden. „Natürlich ist individuelles Verhalten wichtig, natürlich ist Hygiene wichtig“, sagt Andreas Krause. „Für sich alleine aber genügt das nicht. Es braucht technische Maßnahmen und Änderungen in der Arbeitsorganisation, im Arbeitsablauf.“
Von diesen wurden eine ganze Reihe aufgestellt und umgesetzt: Das fängt damit an, dass jedes zweite Drehkreuz, dass jede zweite Eingangstür zum Werk geschlossen bleibt, damit ein Abstand von zwei Metern gewahrt werden kann. Und geht damit weiter, dass mit dem Arbeitgeber vereinbart ist, dass die Kolleginnen und Kollegen nicht für die Zeiterfassung an einem Terminal stempeln müssen, um möglichst wenig mit anderen Beschäftigten in direkten Kontakt zu kommen. Dazu hat der Arbeitgeber genug Desinfektionsmittel, Seife, Handcremes besorgt. Die Beschäftigten sind dazu angehalten, sich mehrmals während der Arbeit ausgiebig die Hände zu waschen – dafür wird ihnen genug Zeit, die als Arbeitszeit verrechnet wird, eingeräumt.
In den Fertigungshallen, in denen derzeit rund 200 Menschen arbeiten, wurden die Schichtübergaben komplett gestrichen. Die Schichten sind jetzt so organisiert, dass die einzelnen Teams sich nicht begegnen. Für Aufenthaltsräume gelten strikte Höchstbelegungszahlen. Die Werkskantine hat zwar geöffnet, allerdings gibt es dort nur eingepackte Speisen zum Abholen. Pausen finden versetzt statt, allenfalls können kleine Gruppen gemeinsam, und natürlich mit dem nötigen Sicherheitsabstand, Pause machen. „Wir haben alle Maßnahmen gemeinsam mit dem Arbeitgeber besprochen und entwickelt. Sie schützen die Beschäftigten“, sagt Andreas Krause. „Wir haben hier eine sehr gute Zusammenarbeit.“
Herausforderungen aber bleiben – beziehungsweise: Sie werden vermehrt entstehen, wenn die Produktion an den Standorten wieder hochfahren. „Wir müssen dann Lösungen entwickeln, die sicherstellen, dass auch die Kolleginnen und Kollegen am Montageband geschützt sind“, sagt Andreas Krause. Trennwände könnten dann eine geeignete Schutzmaßnahme sein. Oder ein Mehrschichtbetrieb, der die Anzahl der Beschäftigten reduziert, die in einer Schicht zusammenarbeiten. „Ganz egal, wie die Lösungen im Detail aussehen werden, die wir entwickeln, eines ist klar: Wir müssen die Kolleginnen und Kollegen in der Produktion wirkungsvoll schützen.“