GE Power Conversion

Warnstreik: Mitbestimmung statt Automatismen

04.03.2021 | Der dritte Warnstreiktag beginnt an diesem 4. März bei GE Power Conversion. Rund 80 Beschäftigte, nahezu die gesamte im Unternehmen anwesende Belegschaft, kommen um 8.00 Uhr vor die Tür. Gerade für sie spielt diese Tarifrunde eine besondere Bedeutung. Denn heute verhandeln IG Metall und die Unternehmensführung über einen abweichenden Tarifvertrag. Auf solche Verhandlungen wollen die Arbeitgeberverbände künftig verzichten und mit Automatismen an tarifäre Leistungen heran.

(c) Christian von Polentz / transitfoto.de

Kraftvoll, mit Musik und guten Argumenten. Die Beschäftigten der GE Power Conversion haben sich für diese Tarifrunde warmgelaufen und sind um 8.00 Uhr für eine Stunde vor die Tür gegangen. Bei ihnen steht die Sicherung von Beschäftigung an erster Stelle. Denn, so argumentieren die Arbeitgeber, GE Power Conversion gehe es schlecht.

Genau deshalb verhandeln bei der GE Power Conversion Arbeitgeber und IG Metall über einen abweichenden Tarifvertrag. Dieses Vorgehen basiert auf dem Pforzheimer Vertrag, den die Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektroindustrie mit der IG Metall 2004 vereinbart haben und die ein gutes und praktikables Vorgehen zwischen Unternehmen, Beschäftigten und IG Metall erlaubt.

Warum Pforzheim auch für Berliner wichtig ist

Befinden sich Unternehmen – wie es jetzt bei GE Power Conversion die Arbeitgeber postulieren – in einer wirtschaftlichen Schieflage, dann setzen sich Arbeitgeber und IG Metall zusammen, stellen die Schieflage fest, analysieren die Gründe und verabreden dann sehr genaue Maßnahmen. Das können andere Arbeitsabläufe sein, das kann aber auch bedeuten, dass die Beschäftigten auf Zeit zum Beispiel auf Schichtzulagen verzichten, wenn der Arbeitgeber dafür in moderne Maschinen investiert.

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Dieses Verhandeln auf Augenhöhe funktioniert in der Regel gut und zügig. In diesen Prozessen stimmt sich die IG Metall eng mit den Beschäftigten und ihren Betriebsräten ab, weil der Kollege in der Produktion, die Kollegin in der Verwaltung häufig sehr viel besser als die Manager wissen, wo es in der Produktion hakt, welche Abläufe in der Verwaltung Zeit und damit Geld kosten.

„Dieses Modell wollen wir weiter stark machen, weil wir damit passgenaue Antworten entwickeln können“, sagt Birgit Dietze, Bezirksleiterin der IG Metall Berlin, Brandenburg, Sachsen im Deutschlandfunk in einer Diskussion über die aktuelle Tarifrunde mit dem Hauptgeschäftsführer der Metall NRW, Luitwin Mallman und Stefan Sell, Professor für Volkswirtschaftslehre und Sozialpolitik an der Hochschule Koblenz.

Automatismen statt Augenhöhe

Diesen in Pforzheim ausgehandelten Vertrag stellen die Arbeitgeber in dieser Tarifrunde in Frage. Sie wollen lieber Automatismen einführen. Schreibt ein Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie rote Zahlen, dann sollen automatisch tarifäre Leistungen wegfallen. Das hat zahlreiche Vorteile – für die Unternehmer. Aufgrund des Automatismus müssen sie nicht mehr mit der IG Metall verhandeln, sondern regeln das innerbetrieblich. Sie muss damit, zweiter Vorteil, auch keiner Fehleranalyse zustimmen, die im Zweifel auch Managementfehler zutage fördert. Kurz und schlecht, sie können wieder selbst bestimmen und die Mitbestimmung in dieser Frage aushebeln.

„In dieser Tarifrunde wollen sie diesen sehr gut funktionierenden Verhandlungsmechanismus zerschlagen und einen Systemwechsel herbeiführen“, kritisiert Ingo Harms von der IG Metall dieses Ansinnen. Das sieht auch der Ökonom Professor für Volkswirtschaftslehre und Sozialpolitik an der Hochschule Koblenz zu, der im Deutschlandfunk konstatiert, dass die Arbeitgeber das Machtgefüge in der Tarifpolitik ändern wollen, nicht nur den Beschäftigten mehr Entgelt verweigern. „Die Arbeitgeber wollen sehr viel weitreichendere Tarifstrukturänderungen einfordern hin zu betrieblichen Regelungen“, sagt er im Deutschlandfunk.

Damit wollen sie wichtige Grundpfeiler des Flächentarifvertrags in Frage stellen. Wer aber damit die Grundfunktion der IG Metall und die Mitbestimmung in Frage stellt, der verunmöglicht auch eine Einigungsperspektive.

Von: Michael Netzhammer

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