Bundesweit demonstrieren 50.000 Metallerinnen und Metaller

Aktionstag: Die Politik muss liefern – es geht um unsere Zukunft

29.10.2021 | Auf einem industriepolitischen Frühstück im Regierungsviertel und mit vier themenspezifisch besetzten Schiffen hat der IG Metall-Bezirk Berlin, Brandenburg, Sachsen den Aktionstag begangen. Beschäftigte und IG Metall haben ihre Forderungen an die künftige Regierung untermauert und ihre Forderungen am Reichstag an die Politik übergeben. Unter ihnen viele Berliner Metallerinnen und Metaller.

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v.l.n.r.: Dennis Demir, BR Daimler, Patric Succo, Vertrauenskörperleiter Daimler, Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender der IG Metall, Hubertus Heil, Bundesminister für Arbeit (aktuell geschäftsführend), noch SPD-Chef Walter Borjans und Birgit Dietze, Bezirksleiterin der IG Metall Berlin, Brandenburg, Sachsen. Dieses und die zwei folgenden Fotos: (c) Christian von Polentz / transitfoto.de

Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender der IG Metall.

Jan Otto, Erster Bevollmächtigter der IG Metall.

Mit vier themenspezifischen Schiffen schippern Metallerinnen und Metaller auf der Spree. (c) IG Metall Berlin

Hubertus Heil, geschäftsführender Arbeitsminister im Gespräch mit Jörg Hofmann und Walter Borjans. Dieses und die nächsten zwei Bilder: (c) IG Metall Berlin.

dieses und alle folgenden Bilder (c) Markus Ochmann, Siemens AG Dynamowerk

In Stuttgart und München, in Eisenach, Schweinfurt und natürlich auch in Berlin haben an diesem Freitag über 50.000 Metallerinnen und Metaller für einen fairen, sozial-ökologischen Wandel der Industrie und ein Bekenntnis zum Industriestandort Deutschland demonstriert. „Unser Weckruf an die Politik ist bitter nötig“, sagte Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender der IG Metall im Berliner Regierungsviertel und kritisierte die Politik. „Die Zukunft der Industrie und ihrer Beschäftigten dürfe nicht an der Schuldenbremse scheitern. „Wir verlangen klare Beschäftigungs- und Investitionszusagen von der künftigen Regierung.“

Viele Berliner Kolleginnen und Kollegen sind dabei

Im sonst sehr beschaulichen Regierungsviertel untermauerten auch viele Berliner Metallerinnen und Metaller lautstark die Forderungen für einen fairen Wandel. „Es geht um unsere Zukunft: Transformation nur mit uns“ war auf den Bannern im Regierungsviertel zu lesen. Dazu schipperten vier thematisch geschmückte Schiffe – Automobil, Stahl, Schiene und Jugend – schon früh am Morgen über die Spree und machten die Forderungen der IG Metall an die Politik weithin sichtbar.

„Die Transformation eröffnet Berlin große Chancen, dafür muss die Politik aber die richtigen Parameter und Rahmenbedingungen vorgeben“, sagte Jan Otto, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Berlin zu Anfang der Kundgebung. Zusammen mit DGB und IG BCE hat er von der Berliner Politik eine Dekade der industriellen Erneuerung gefordert.

Mehr industrielle Wertschöpfung in Berlin

Damit die Transformation gelingen kann, muss der industrielle Standort Berlin ausgebaut, mehr CO2-arme Wertschöpfung in die Stadt geholt werden. „Die Berliner Industrie bietet sehr gute Lösungen für eine klimagerechte Transformation, doch während einige Vorstände die Transformation mit ihren Beschäftigten angehen, verweigern andere Industriekapitäne ihre Verantwortung. Wem bei Transformation nur Verlagerung einfällt, hat nichts begriffen, denn diese bedeutet am Ende, dass wertvolles Know-how in Deutschland verschleudert wird“, fügt Jan Otto hinzu.

Künftige Koalition: Gaskraftwerke sind wichtige Brückentechnologie

Gasturbinen für die Energiebereitstellung von Strom und Wärme Made in Berlin sind dafür ein gutes Beispiel, denn sie werden für den Übergang vom fossilen in das erneuerbare Energiezeitalter dringend gebraucht, mit bis zu 70 Prozent reduzierten CO2-Emissionen gegenüber anderen fossilen Energieträgern.

An diesem Freitag kritisiert der Betriebsratsvorsitzende Günter Augustat erneut die Pläne des Vorstands von Siemens Energy auf der Bühne. „Wir aus der Huttenstrasse haben im zurückliegenden Jahr erlebt und werden es bis 2025 ausbaden, wie ideenloses Vorgehen und Auslagerungswahn eben nicht möglichst viele Kolleginnen und Kollegen in die Transformation mitnimmt. Dafür erleben wir, dass gute Arbeit und hochqualifizierte Arbeitsplätze gerade in Dekarbonisierungs-Technologien wie die Verbrennungssystem- und Spezialkomponentenfertigung in Berlin abgebaut und in undemokratische Länder ausgelagert werden.“

Warum Gasturbinen notwendig sind? „Der wichtige Ausbau erneuerbarer Energien bringt Leistungs- und Frequenzschwankungen in die Netze, hier sind emissionsarme und mit Hilfe von Wasserstoff immer emissionsfreier betriebene Gasturbinen die ideale Ergänzung“, fügt Günter Augustat hinzu. „Der Energieanlagenbau in Deutschland kann mit wichtiger Wertschöpfung zur Klimazieleerreichung in Europa und in der Welt beitragen.“

Koalitionspläne – ein Wink für den Siemens Energy-Vorstand?

Genau so sehen es auch Spitzenvertreter*innen von Grünen, FDP und SPD – die aller Voraussicht nach die nächste Regierung stellen werden. "Ja, für den Übergang braucht es Gas. Das sage ich hier als Grüne", sagte Annalena Baerbock auf dem Bundeskongress der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE). Ins gleiche Horn stießen bereits Olaf Scholz (SPD) und Christian Lindner (FDP).

Mit seinen Plänen steht der Vorstand von Siemens Energy nun politisch ziemlich alleine da. „Die Aussagen der Politik zur Bedeutung von Gasturbinen ist für den Vorstand nun die Chance, seine falsche Politik neu zu überdenken“, sagte Regina Katerndahl, Zweite Bevollmächtigte der IG Metall Berlin. Zumal Gasturbinen nicht nur eine Brückentechnologie sein müssen, sondern auch mit Wasserstoff kombiniert eine weitere, immer CO2-freiere Energiekomponente für die Zukunft darstellen.

Einmischen für eine soziale Transformation

Eines ist klar: Vor diesem Hintergrund darf man die Transformation auf keinen Fall Vorständen und Unternehmensspitzen überlassen, denn diese sind nur ihren Aktionären und Investoren verpflichtet und agieren häufig kurzfristig und ideenlos. Hier braucht es politische Rahmenbedingungen und starke Gewerkschaften, die ihre Forderungen mit den Beschäftigten gemeinsam durchsetzen. Für eine sozialere Gestaltung des Wandels hat die Politik durchaus Möglichkeiten.

Dekade der industriellen Erneuerung

Nicht ohne Grund haben sich IG Metall Berlin, die IG BCE und der DGB in der Stadt verbündet, um den Druck auf die Berliner Politik zu erhöhen, damit der Industriestandort in Berlin ausgebaut werden kann. „Es kann nicht sein, dass ein Unternehmen Kurzarbeitergeld in Anspruch nimmt und gleichzeitig die Produktion verlagert“, sagt Dennis Demir, Betriebsrat bei Daimler in Marienfelde auf der Kundgebung. Und Patric Succo, Vertrauenskörperleiter im Daimler-Werk fordert: „Kein staatliches Geld für Unternehmen, die auf Tarifbindung pfeifen, kein Geld für Betriebe, die Mitbestimmung in Frage stellen, umgehen oder direkt angreifen.“ Wie wichtig Mitbestimmung und eine starke IG Metall im Betriebe sind, erleben beide in der Auseinandersetzung um den Standort Marienfelde.

Beide wissen, dass die Transformation der Industrie nicht nur ein paar Windräder, einige Ladestationen und ein wenig Digitalisierung bedeuten. „Vielmehr verändert der Wandel die Art und Weise, was wir produzieren und wie wir es produzieren fundamental, deshalb müssen wir diesen Wandel sozial gestalten“, sagt Patric Succo. Gerade deshalb sei es notwendig, dass sich die Beschäftigten stärker organisieren, um so mehr Schlagkraft für eine sozial gerechte Transformation zu entwickeln und im Zweifel auch um ihre Arbeitsplätze kämpfen zu können wie sie es bei Daimler tun.

Weitere Informationen: Der Aktionstag im Bezirk; Mehr Stimmen aus dem IG Metall-Vorstand

Von: Michael Netzhammer, tt

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